Zeitkapsel in der Brücke Grafenwerth geöffnet: spannende Zeitreise, die bewegt und Fragen aufwirft

Bürgermeister Otto Neuhoff und die Restaurierungsberater Gereon Lindlar und Helena Kaldenhoff inspizierten nach der Öffnung der Zeitkapsel der Brücke Grafenwerth den historischen Inhalt.

Die im Zuge von Sanierungsarbeiten an der Brücke Grafenwerth gefundene Zeitkapsel ist am Montag geöffnet worden. Den von der Stadt Bad Honnef im Zuge der Brückensanierung beauftragten Restaurierungsberater Gereon Lindlar und Helena Kaldenhoff gelang es, den gebördelten Deckel der Kapsel zu öffnen, um die wertvollen Zeitzeugnisse aus der Bauzeit der Brücke schonend zu bergen.

Dabei gab es gleich mehrere Überraschungen: so muss die Kapsel bei den letzten großen Rheinhochwassern, die bis knapp unter die hohen Brückenbögen reichten, den Grundstein erreicht haben. Im Hohlraum des Grundsteins ist die Kapsel dann sichtbar aufgeschwommen. Aufgrund einer Undichtigkeit ist leider auch Rheinwasser in die Kapsel eingedrungen. Dennoch blieben die Fundstücke weitestgehend erhalten: neben mehreren Münzen wurde eine schmuckvolle Urkunde aus der Bauzeit der Brücke gesichtet. Bewegend war der Blick auf die Titelseiten der ebenfalls weitestgehend erhaltenen vier Tageszeitungen Honnefer Volkszeitung, Kölnischen Rundschau, Bonner General-Anzeigers sowie Deutschen Reichszeitung. Die Erscheinungstage der Ausgaben datierten allerdings auf den 1. oder 2. Oktober 1915. „Das ist äußerst ungewöhnlich“, so Jutta Schmidt, Leiterin des Fachdienstes Tiefbau der Stadt Bad Honnef, denn die Brücke ist in den Jahren 1911 und 1912 errichtet und offenbar erst 1915 mit einer Zeitkapsel versehen worden.

 

In der Zeitkapsel befand sich eine historische Urkunde zum Bau der Brücke. Die Urkunde soll professionell gereinigt und konserviert werden.

„Wir befinden uns 1915 Mitten im Ersten Weltkrieg“, ordnete Restaurierungsberater Gereon Lindlar die Schlagzeilen der Zeitungen wie „Große Verluste der feindlichen Angreifer im Westen“ und „Englische Schreckensherrschaft in Indien“ ein: „Nach der großen Anfangseuphorie, in der alle europäischen Länder ihre jungen Leute in die Schlacht geschickt haben, wurden solche Zeitungsnachrichten gedruckt.“ Propaganda, wie sie bis heute und aktueller denn je bei Kriegsgeschehen zu beobachten ist. Warum die Kapsel mit den Zeitungen erst 1915 und nicht nach Fertigstellung der Brücke im Jahr 1912 verbaut wurde, soll im Zuge weiterer Untersuchungen geprüft werden.

„Ein hochinteressanter Fund, der einen Blick in die Geschichte der Grafenwerther Brücke ermöglicht“, freute sich Bürgermeister Otto Neuhoff über die Zeitzeugnisse: „Wir werden nun alle Fundstücke sichern, reinigen und konservieren lassen, um sie der Nachwelt im Stadtarchiv zu erhalten. Wenn die Arbeiten an der Brücke abgeschlossen werden, wollen wir eine neue Zeitkapsel einmauern lassen.“

Nicht allein die Zeitkapsel macht die Brücke Grafenwerth zu einer Besonderheit, erklärt Restaurierungsberater Gereon Lindlar: „Man muss berücksichtigen, dass es eine der ältesten, wenn nicht sogar die älteste erhaltene Betonbrücke über den Rhein ist. Es ist ein unglaublich altes Betonbauwerk. Deswegen ist es so wichtig, möglichst viel der alten Substanz zu erhalten.“

Die Zeitungen in der Kapsel, die vom Rheinhochwasser betroffen war, verraten anhand des Erscheinungstages, dass die Kapsel erst Anfang Oktober 1915 in die bereits im Jahr 1912 fertiggestellte Brücke eingelassen worden sein muss.

Für Tiefbauamtsleiterin Jutta Schmidt ist das eine besondere Herausforderung: „Insbesondere die Bastionen und die Mittelelemente vom Überbau der Brücke werden erhalten und im Bestand restauriert. Bei neuen Elementen wie den Brüstungen versuchen wir, diese möglichst an die Optik der damaligen Baukunst anzupassen. Das ist technisch ein Spagat, den wir machen müssen, denn die neue Brüstung ist heute 30 Zentimeter stark, früher waren es nur 18 Zentimeter.“ Hintergrund der Anpassungen sind unter anderem die Erfahrungen, die man im Laufe der Jahrzehnte mit Stahlbetonbauten erst noch sammeln musste, erklärt die Ingenieurin: „So hat man gelernt, dass es eine viel dickere Betonüberdeckung über der Stahlarmierung braucht als bislang angenommen.“

Eine weitere Besonderheit der Betonbrücke sind die vielen filigranen Verzierungen, die man bei moderneren Betonbauwerken nicht mehr findet. In der Übergangszeit vom Steinbau zum Betonbau wurden die gewohnten Techniken der Steinmetze einfach übernommen, sagt Schmidt: „Diese kleinen Elemente, die heute bei neuen Bauwerken unbezahlbar wären, wollen wir natürlich erhalten.“