Wieso pflanzen wir Obstbäume?
In den letzten Jahren sind überall in Bad Honnef und Rheinbreitbach viele alte Obstbäume gefällt worden, teils, um den wachsenden Kommunen mehr Bauland zu geben, teils, weil diese traditionelle Wirtschaftsform auch im bäuerlichen Nebenerwerb aufgegeben wurde. Mit der Anpflanzung von alten Hoch- und Halbstammbäumen auf einer schuleigenen Wiese durch die Schülerinnen und Schüler von Schloss Hagerhof wollen sie einerseits einen Beitrag zum Schutz dieser wertvolle Biotope tun, andererseits geht es ihnen auch um den Erhalt der genetischen
Vielfalt alter Kultursorten, die z.T. jahrhundertelang an den Hängen des Siebengebirges kultiviert wurden und nun kaum noch zu finden sind.
Natürlich wollen wir nicht den Obstbauern der Region Konkurrenz machen – Ziel ist es vielmehr, ein ökologisch und kulturhistorisch wertvolles Areal zu schaffen, welches nebenbei auch noch verwertbare Äpfel abwirft. Deshalb
kamen nur alte, lokale Hoch- und Halbstammsorten in Frage, die sich mit Lebensdauern von bis zu 100 Jahren und mit ihren stattlichen Kronen zu dauerhaften Landschaftselementen entwickeln werden.
Um die Betreuung und Pflege der Streuobstwiese kümmern sich seit Jahren die Schülerinnen und Schüler von Schloss Hagerhof; pflanzen, schneiden, düngen und natürlich ernten findet im Rahmen des Ganztagsunterrichts statt. Die geernteten Äpfel werden vielfältig verwendet: Beim Frischverzehr bemerkt man die unterschiedlichen Geschmacksqualitäten; etlicheÄpfel verarbeiten wir zu Apfelmus oder trocknen sie als leckere Apfelringe. Auch prima Apfelkuchen kann man daraus herstellen. Für unser Schulfest pressen wir mit einer eigenen Kelter frischen Apfelsaft, um mit dem Erlös unserer Partnerschule in Burkina Faso zu helfen. Bei einer großen Ernte können wir den Überschuss in Stellagen einlagern.
Natürlich muss man bei solchen Projekten einen langen Atem haben: Die Fünftklässler, die diese Bäumchen mit gepflanzt haben, werden bei ihrer Abiturentlassung schon einigermaßen stattliche Bäume auf ihrer Wiese vorfinden. Zunächst ist es aber wichtig, dass die Jugendlichen ihre Arbeit als wirksam und nachhaltig erfahren; ein zweiter Punkt ist, die Kontinuität in der Arbeit zu waren: Jede neue Generation von interessierten Schülerinnen und Schülern soll die Möglichkeit haben, eigene wichtige Aufgaben zu übernehmen.
Für die Einrichtung der Streuobstwiese als weitere Station des Bad Honnefer Bienenwegs wurde der Ort durch eine Sitzgelegenheit, Nistkästen und ein Insektenhotel, alles Arbeiten von Schülerhand, weiter aufgewertet.
Was bringen Streuobstwiesen dem Menschen?
Diese mit Obstbäumen bestandenen Wiesen gibt es bei uns schon seit dem späten Mittelalter. Ursprünglich dienten sie den Menschen als Nahrungsgrundlage. Dabei wurde weniger das frische Obst verzehrt; begehrt waren dagegen Sorten mit monatelanger Lagerfähigkeit. Das meiste Obst wurde hingegen sofort weiter verarbeitet und so haltbar gemacht: Zu Trockenobst, Most, Schnaps, Apfelkraut u.a.
Heute sehen wir die Streuobstwiesen schnell verschwinden: In nur 40 Jahren sind 75% der Bestände in NRW gerodet worden. In den verbliebenen Resten sollten wir ein Stück Kultur erkennen, das zu erhalten sich lohnt:
– Die blühenden Obstbäume sind eine Zierde für jeden Garten und jede Gemeinde.
– Es ist ein ortsnaher Lebensraum mit großem Erholungswert.
– Für unsere Kinder sind diese Wiesen Orte, an denen sie Natur erleben und entdecken können.
– Bienen, die unsere Nutzpflanzen bestäuben, finden hier reichlich Pollen und Nektar.
– Die alten, robusten Sorten sind erstaunlich vielfältig im Geschmack.
– Sie ergeben vorzüglichen, naturtrüben Apfelsaft frei von Spritzmitteln.
– Als regionale Lebensmittel sind sie z.B. dem ‘Flugobst’ aus Übersee vorzuziehen.
– Alte Sorten sind oft resistent gegen Schädlinge und Krankheiten.
– Daher sind sie wichtig als Genreserve für die Zucht neuer Sorten.
Das sind mehr als genügend Gründe, sich für den Erhalt der letzten Streuobstwiesen einzusetzen.
Was bringen Streuobstwiesen der Natur?
Unbeabsichtigt durch die Menschen, die rund um ihre Ortschaften die ersten Streuobstwiesen angelegt haben, entwickelte sich auf diesen Flächen schon bald ein ökologisches Mosaik von größter Artenvielfalt, so zu sagen ein Paradies von Menschenhand. Die Bäume waren so lückig gesetzt, dass die Flächen nicht den Charakter eines Waldes bekamen, sondern dass unter ihnen noch ein Grünland mit einer vielfältigen Anzahl von Pflanzen gedeihen konnte. Sie sind sozusagen das Gegenstück zu den heute üblichen Plantagen, bei denen zum Teil sogar der Unterbewuchs chemisch vernichtet wird. Die zahlreichen Aspekte zur ökologischen Bedeutung von Streuobstwiesen können hier nur angerissen werden; weitere Informationen findet man in der angegebenen Literatur und den Links am Ende:
– Die große Pflanzenvielfalt sichert das Fortbestehen so mancher botanischen Rarität, wie z.B. einheimischen
Orchideen, die auf konventionellen Agrarflächen längst verschwunden sind.
– Insekten, vor allem die für unsere Nahrung wichtigen Bestäuber, deren dramatisches Verschwinden in aller Munde ist, finden hier einen letzten Rückzugsort.
– Mit den Insekten haben auch unsere Vögel in den letzten Jahren einen erheblichen Bestandseinbruch erlebt. Selbst die Allerweltsarten wie Spatz und Schwalbe befinden sich auf dem Rückzug. In Streuobstwiesen finden viele Arten, auch seltene wie der Steinkauz oder der Grünspecht, ihr Auskommen.
– Weil auf Streuobstwiesen oft sehr alte und höhlenreiche Baumexemplare stehen, können auch geschützte und
selten gewordene Säugetiere wie Fledermäuse oder Siebenschläfer hier überleben.
– Da diese Wiesen extensiv, d.h. ohne viel Dünger und frei von Spritzmitteln, bewirtschaftet werden, gehen sie schonend mit unserem Boden und dem Grundwasser um.
Es lohnt sich also auf jeden Fall, einmal vom Weg abzugehen und sich direkt zwischen die stattlichen Bäume einer alten Streuobstwiese zu begeben; hier gibt es mit allen Sinnen so manches zu entdecken und zu erleben, und sei es
nur, einmal sein Haupt direkt zwischen die blühenden Zweige zu strecken.
Was kann ich tun?
Natürlich verfügt kaum jemand von uns über ein Grundstück, auf dem er eine Streuobstwiese neu entstehen lassen könnte. Dennoch gibt es zahlreiche Möglichkeiten, in dieser Richtung sinnvoll aktiv zu werden. Hier sind nur einige davon:
- Pflanze einen Obstbaum in deinen Garten. Es sollte aber ein stattlicher Baum sein, also ein Hochstamm oder zumindest ein Halbstamm. Wähle eine alte, bewährte Sorte, die gut an die hiesigen Verhältnisse angepasst ist und sich auch als robust gegen Krankheiten erwiesen hat. Die örtliche Baumschule kann bei der Auswahl sicherlich mit Rat und Tat zur Seite stehen.
- Hänge einen Meisenkasten in deinen Baum und schon bald wirst du gefiederte Freunde haben.
- Kaufe regionales Obst, am besten bei einem Hofladen. Dort findest du bestimmt bald deine Lieblingssorten an Äpfeln, Birnen und anderen Obstsorten.
- Wenn du Saft kaufen möchtest, entscheide dich für solchen von Streuobstwiesen, am besten in der naturtrüben Form. Falls das Geschäft ihn nicht im Sortiment hat, frage beim Händler nach, ob er ihn besorgen kann.
- Versuche auch einmal Apfelwein als alternatives Getränk.
- Finde einen örtlichen Verein, der sich für den Erhalt von Streuobstwiesen einsetzt. Hier kannst du auch lernen, wie man Obstbäume pflegt und schneidet.
- Mische dich als Bürger ein und vertrete deine Meinung, wenn z. B. ein Bauvorhaben die Rodung einer Streuobstwiese vorsieht.
Ein Baum im Garten ist der natürliche Mittelpunkt: Er zieht uns an, ihn zu betrachten und den Verlauf der Jahreszeiten zu spüren, sich in seinen Schatten zu setzten, von seinen Früchten zu naschen oder auch nur, die Vögel in ihm zwitschern zu hören.
Wie fange ich an?
Was man beim Setzen eines Hochstammobstbaums beachten muss, illustriert die folgende Abbildung:
Wer kann mir helfen?
Wer kann mir helfen?
Inzwischen gibt es zahlreiche Freunde alter Obstsorten und man kann von vielen Seiten Ratschläge und Hinweise erhalten. Hier eine Auswahl von Tipps, mit denen man weiterkommt:
Bücher
- Farbatlas alte Apfelsorten – Hartmann & E. Fritz bei Ulmer
- Obstgehölze sachgemäß schneiden – G. Wilhelm bei Falken
- Brandts Apfellust. Alte Apfelsorten neu entdeckt für Garten und Küche – Brandt bei Goldmann
- Lokale und regionale Obstsorten im Rheinland – vom Aussterben bedroht. Handbuch mit 49 Sortensteckbriefen – LVR-Netzwerk Umwelt und Biologische Stationen im Rheinland
Vereine und Organisationen
- Biologische Station im Rhein-Sieg-Kreis e. V., Eitorf biostation-rhein-sieg.de
- Biologische Station Bonn/Rhein-Erft e. V., Bonn biostation-bonn-rheinerft.de
- Verschönerungsverein für das Siebengebirge, Königswinter vv-siebengebirge.de
- Natürlich Streuobst! e. V., Siegburg natuerlich-streuobst.de
- Bürgerinitiative Naturschutz‐Siebengebirge e. V., Königswinter naturschutz-siebengebirge.de
Links mit nützlichen Tipps:
- Naturschutzbund Deutschland (NABU) nabu.de
- Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) bund.net
- Streuobstwiesen-Börse streuobstwiesen-boerse.de
- LBV: Streuobstwiese lbv.de/praxistipps/streuobstwiese.html
- Mein schöner Garten: So legen Sie eine Streuobstwiese an mein-schoener-garten.de/gartenpraxis/nutzgaerten/streuobstwiese-anlegen-37071